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Kommunikation durch Vesikel​​

Extrazelluläre Vesikel (EV) sind etwa so groß wie Viren und schwimmen in unserem Blut in sehr hohen Konzentrationen. Sie werden von vielen Zellen abgegeben, insbesondere des Immunsystems. Im Blut werden Vesikel durch den ganzen Körper zu Zielorganen und Zellen transportiert. Dort initiieren sie biochemische Prozesse, etwa um Krankheitsprozesse zu bekämpfen.​
Die Nachrichten, die durch die Vesikel übermittelt werden, bestehen aus vielen Faktoren, darunter Enzyme (Proteasen) und nicht-enzymatische Faktoren, wie etwa Chemokine, Cytokine und microRNA. Die Kombination der versendeten Moleküle ist spezifisch für Krankheit und Krankheitsstadium. In der Dekodierung der Faktoren liegt die Information die uns hilft Krankheiten sehr früh zu erkennen und therapeutische Erfolge, aber auch eine Verschlechterung zu erkennen.​ 

Wie funktioniert das KI-VesD Testverfahren?

Für unsere Tests muss zunächst eine Blutprobe genommen werden, etwa bei einem Arzt oder in einer Klinik. Das Blut wird in einem Laborgerät (V-Disk Player) der Praxis automatisch analysiert und anonymisiert in der Cloud ausgewertet. Das Ergebnis wird an das Mobiltelefon des Testnehmers gesendet und, in der Regel, ein unauffälliger Befund bestätigt.  ​
Zeigt das Ergebnis den Verdacht einer beginnenden Erkrankung, kann der betreuende Arzt einen Bestätigungs-Test in einem Zentrallabor anfordern. Sollte dieser den Verdacht bestätigen ist eine eingehende klinische Untersuchung in einer Klinik erforderlich, z.B. mit bildgebenden Verfahren. ​

Aufreinigung der Plasma Vesikel

Blutplasma ist ein komplexes Gemisch aus freien Proteinen und Partikeln wie Lipoproteinen, von denen extrazelluläre Vesikel (EV) nur eine kleine Fraktion sind. Um die EV abzutrennen, verwenden wir die Dual-Mode-Chromatographie (DMC), eine patentierte Methode, die von einem unserer Teammitglieder entwickelt wurde. ​

Bei der DMC wird die Plasmaprobe auf eine Säule geladen, die zwei Schichten verschiedener Arten von „Kügelchen“ enthält. Wenn die Probe durch die DMC-Säule wandert, trifft sie zunächst auf eine "Größenausschluss"-Schicht, die aus Beads mit Poren von ca. 40 Nanometern (nm) besteht. Freie Proteine und kleinere Partikel, wie z. B. kleine Lipoproteine, dringen in die Poren ein und werden aufgehalten. Partikel, die größer als 40 nm sind, wie EV und große Lipoproteine, wandern schneller durch diese Schicht. Um die beiden verbleibenden Komponenten zu trennen, verwenden wir eine "Ionenaustauschschicht", die aus negativ geladenen Beads besteht. Die großen Lipoproteine, die positiv geladen sind, werden von diesen Beads eingefangen, während negativ geladene EV abgestoßen werden und ungehindert durch diese Schicht wandern. Das Endergebnis des DMC-Verfahrens ist eine stark mit EV angereicherte Probe.​

Da die DMC schnell, reproduzierbar und automatisierbar ist, eignet sie sich sehr gut für den Einsatz in der klinischen Forschung und in einem Zentrallabor.​

Protease-Aktivitätstest

Zur Messung der Aktivität verschiedener Proteasen in EV-Plasmaproben verwenden wir einen von uns entwickelten und patentierten Test auf Fluoreszenzbasis. ​

Zunächst entwerfen wir Peptide mit einer spezifischen Aminosäuresequenz, die der Erkennungsstelle entspricht, die von einer bestimmten Protease beim Schneiden ihrer Substrate verwendet wird. An einem Ende des Peptids wird ein fluoreszierendes Molekül angebracht, während am anderen Ende ein Quencher angebracht wird. Ein intaktes Peptid sendet kein Signal aus. Nach der Zugabe dieser Peptide zur EV-Probe und der anschließenden Spaltung durch ihre spezifische Protease wird das Fluorophor vom Quencher freigesetzt, und ein Signal wird emittiert. Die Aufzeichnung des Anstiegs dieses Signals über die Zeit wird als Maß für die Menge der vorhandenen aktiven Protease verwendet. ​

Durch die Verwendung verschiedener Peptide, die von unterschiedlichen Proteasen gespalten werden sollen, können wir ein für jede Probe einzigartiges Muster der Proteaseaktivität erhalten. Diese Muster für verschiedene Patientenpopulationen werden dann durch künstliche Intelligenz analysiert, um Klassifizierungsalgorithmen zu erstellen.

Einsatz der KI bei der Diagnose

Die Analyse von Profilen mehrerer molekularer Merkmale in Plasma-EV, wie z. B. der Protease-Aktivität, kann genutzt werden, um charakteristische Muster bei Patienten zu diagnostischen Zwecken zu erkennen. Wenn Dutzende oder Hunderte von Molekülen profiliert werden, ist das Finden dieser Muster jedoch nur mit Hilfe von Computermodellen möglich, die auf künstlicher Intelligenz basieren (KI-Modellen). ​

In KI-VesD setzen wir neuste Bioinformatik und statistische Methoden ein, um EV-Protease-Aktivitäten auszuwählen, die bestimmte Gruppen von Krebspatienten charakterisieren. Anschließend haben wir mithilfe von überwachtem maschinellem Lernen KI-Modelle mit Plasma-EVs-Daten von Hunderten von Patienten trainiert und so prädiktive Klassifizierungsmodelle für Melanom, Prostatakrebs, Lymphome und andere Tumorentitäten erhalten. ​

Unsere Vision ist, dass diese KI-Modelle verwendet werden können, um das Risiko eines Tumor-Rezidivs (Tumorrückfall) bei Patienten genau vorherzusagen oder z.B. ein Prostata-Karzinom zuverlässig in der Frühdiagnose zu identifizieren.

Automatisierung des diagnostischen Tests​

Die Automatisierung diagnostischer Tests steigert die Robustheit und Verlässlichkeit der Diagnose und minimiert Zeitaufwand und Kosten. Im Projekt KI-VesD entwickelt Hahn-Schickard eine Mikrofluidikkartusche (V-Disk) und Geräte zur Automatisierung des Tests. Die Blutprobe des Patienten wird auf die CD-förmige Kartusche gegeben. Im "Disk-Player" werden anschließend mit Hilfe der Mikrofluidik die Vesikel aus der Probe extrahiert und mit dem Protease-Aktivitätstest analysiert. Die Aktivitätsmuster werden pseudonymisiert und verschlüsselt an einen Server zur Mustererkennung übermittelt.​

Mikrofluidik und die V-Disk

Mikrofluidik und die V-Disk

Die V-Disk Kartusche ist ein Mikrofluidik-Chip, mit dem biochemische Prozesse automatisiert werden können. Es ist sozusagen ein miniaturisiertes Labor ("Lab-on-a-Chip"), welches es ermöglicht ohne weiteres Zutun die Vesikel mittels verschiedener Filtrations- und Chromatographieschritte aus der Blutprobe zu extrahieren.​

 
 

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